Bundeshaushalt: AWO erneuert Kritik an Sparpolitik
"Mit der Schuldenbremse ist kein Staat zu machen"
Der Deutsche Bundestag hat den Bundeshaushalt für das laufende Jahr beschlossen – acht Wochen später als geplant. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) begrüßt im parlamentarischen Verfahren zurückgenommene Kürzungen, übt aber auch klare Kritik am neuen Haushaltsplan. Dazu erklären AWO-Präsident Michael Groß und Claudia Mandrysch, Vorständin des AWO Bundesverbands:
Michael Groß: “Wir haben seit dem letzten Sommer mit aller Kraft dafür gestritten, dass der Bundestag den Sparhaushalt des Finanzministers korrigiert. Mit Blick auf viele unserer Anliegen hatten wir Erfolg: Im Bereich der Migrationsberatung und bei der Unterstützung von Geflüchteten steht deutlich mehr Geld im Haushaltsplan als die Bundesregierung vorgeschlagen hatte. Gleichzeitig wird deutlich: Die Bundesregierung hat noch nicht verstanden, dass mit der Schuldenbremse und ohne mehr Steuergerechtigkeit kein Staat zu machen ist. Das richtige Ziel der Klimaneutralität belastet zudem die Menschen mit geringem Einkommen wesentlich mehr als Hochverdienende, die einen wesentlich höheren CO2 Fussabdruck haben. Neben Armutserfahrung sorgen vernachlässigte und überlastete Lebenswelten und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten in den Stadtteilen, dass vielen Menschen sich sozial und politisch übergangen fühlen. Wir müssen mehr Gemeinwohlorientierung und Gemeinnützigkeit etablieren. Die Preissteigerungen der letzten beiden Jahre und die Klimakrise erfordern höhere Ausgaben, nicht niedrigere. In Zeiten, in denen Hunderttausende für die Demokratie auf die Straße gehen, müssen wir endlich in diejenigen investieren, die Tag für Tag den gesellschaftlichen Zusammenhalt organisieren: die Menschen, die sich ehren- und hauptamtlich in der sozialen Arbeit engagieren! Dass stattdessen nun auch noch auf dem Rücken von Bürgergeld-Empfänger*innen gespart werden soll, ist ein fatales Signal.”
Claudia Mandrysch: “Die Haushaltskrise, die nach dem Urteil des Verfassungsgerichts entstanden ist, hat für unsere Träger lange Wochen der Unsicherheit bedeutet. Es ist gut, dass für die Einrichtungen und Beschäftigten, die in den vom Bund geförderten Bereichen tätig sind, nun endlich Klarheit herrscht – aber der wirtschaftliche und vor allem der Vertrauensschaden sind bereits entstanden. Ich erwarte von Finanzminister Lindner, dass er morgen damit beginnt, einen seriösen, zukunftsfähigen Haushalt für die nächsten Jahre zu erarbeiten. Denn auch wenn wir für 2024 wissen, woran wir sind: In mehr- und überjährigen Programmen ist weiterhin kaum Planbarkeit möglich. Die Freiwilligendienste zeigen das Problem sehr deutlich: Für den Jahrgang 2024/2025 können wir heute nur etwa 65% der für das laufende Jahr bereitgestellten Mittel nutzen, weil wir leider davon ausgehen müssen, dass 2025 wieder deutlich weniger Geld vorhanden sein könnte.”